Addis Abeba, Äthiopien, 30.03.2001 (10172 Kilometer)

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Der Fluß in der Wüste

Hinter Dikhil hatte die passable Asphaltstraße urplötzlich ein Ende. Schlagartig ging sie in eine grobe, staubige Piste über, auf der auch die Lastwagen nur mit 20 Kilometern in der Stunde dahinkrochen. Noch vor ein paar Jahren war dieser Abschnitt bis zur äthiopischen Grenze geteert, aber der starke Verkehr hat alles zerbröselt. Seit dem Krieg mit Eritrea muß Äthiopien vom Hafen in Assab auf den in Djibouti ausweichen.

Die LKW-Schlange ist gut zwei Kilometer lang. Und der vorderste Lastwagen steht tatsächlich am Ufer eines Flusses! Eines reißenden Flusses von etwa 60 Metern Breite! Ich brauche eine Weile, um das zu begreifen. Drüben am anderen Ufer haben sich die Lastwagen ebenfalls kilometerlang gestaut. Hier wie dort Menschen, die etwas ratlos dreinschauen.

Zahllose Lastwagen und Schaulustige an der zerstörten Brücke.

Langsam wird mir nun bewußt, daß auch ich überhaupt keine Chance habe, die andere Seite lebend zu erreichen. Die Wassermassen kommen von links um eine Kurve geschossen, tobend, wild schäumend, braun von der Erde, die sie mitgerissen haben. Wo der Fluß die Furt überquert, sieht er verhältnismäßig harmlos aus, aber die Gewalt des Wassers wird gleich in der Walze hinter der Furt wieder deutlich - wer in diese Walze gerät, ist verloren. Wenn er nicht darin ertrinkt, so zerschellt er an den Felsen flußabwärts.

Die LKW-Fahrer erzählen, daß das Flußbett das ganze Jahr über so trocken ist wie die Wüste um uns herum. Nur alle ein oder zwei Jahre - bei heftigen Regenfällen Hunderte Kilometer südwestlich in Äthiopien - fülle es sich. weiter

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